Der Mpemba-Effekt klingt wie ein Straßentrick, löst aber echte Diskussionen aus – in Küchen, Laboren und auf zugefrorenen Seen.
Es ist ein Morgen, der in die Wangen beißt. Vor einer Haustür kippt jemand einen Becher heißes Wasser in die Luft, und die dampfende Wolke verwandelt sich in ein schimmerndes Schneepulver, das im Gegenlicht tanzt. Auf dem Balkon daneben stehen zwei Gläser, eins mit warmem, eins mit kühlem Wasser. Das warme bildet eine Eisdecke, als würde es die Kälte herausfordern.
Später im Küchenlicht zähle ich die Minuten und messe, während der Gefrierschrank kurz aufheult. Es fühlt sich banal an. Und doch ist da dieses Gefühl, einer stillen Regel auf der Spur zu sein.
Etwas stimmt hier nicht. Oder genau doch.
Das Rätsel: Wenn heiß scheinbar schneller einfriert
Der Mpemba-Effekt trägt den Namen eines Schülers aus Tansania: Erasto Mpemba beobachtete in den 1960ern, dass eine wärmere Eiscreme-Mischung schneller fest wurde als eine kühlere. Die Idee geisterte schon durch ältere Notizen von Aristoteles bis Bacon, blieb aber oft anekdotisch. Heute wissen wir: Das Phänomen ist real, tritt aber nicht zuverlässig auf.
Wir alle kennen diesen Moment, in dem wir zweifeln, was unsere Augen da sehen. Einmal klappt es wie im Lehrbuch, beim nächsten Versuch ist es weg. Genau darin liegt der Reiz. Der Mpemba-Effekt ist kein Zaubertrick, sondern ein Fall, in dem viele kleine Ursachen zusammen ein großes Ergebnis produzieren.
Ich habe zwei identische Metallbecher genommen, je 200 Milliliter. Einer startete bei etwa 70 Grad, der andere bei 20. Beide kamen zeitgleich auf ein eisiges Blech in die Tiefkühltruhe. In einem Durchgang bildete das heiße Wasser nach rund 80 Minuten eine geschlossene Eisdecke, das kühlere erst nach gut 95 Minuten. An einem anderen Tag lag das kühle vorne.
Labore berichten Ähnliches: Mal zieht das warme Wasser vorbei, mal nicht. Sobald Luftzug, Oberflächenkontakt, Wasserqualität oder Füllhöhe variieren, verschiebt sich das Ergebnis. Klingt frustrierend, macht die Physik hier aber so menschlich: Sie reagiert auf Details, die man selten vollständig kontrolliert.
Was kann die Nase vorne haben lassen? Verdunstung lässt heißes Wasser Masse verlieren – weniger Wasser friert schneller. Konvektionsströme sind bei Wärme stärker, verteilen Energie gleichmäßiger, die Temperatur fällt homogen. Aufliegender Raureif kann unter dem warmen Becher kurz schmelzen, der Kontakt zum eiskalten Blech wird besser und der Wärmeabtransport schneller.
Außerdem entgast heißes Wasser, Luftbläschen verschwinden; das verändert die Keimbildung für Eiskristalle. Kälteres Wasser neigt eher zur Unterkühlung – es wird flüssig unter 0 Grad und friert dann plötzlich schlagartig, was Zeit kosten kann. Heißes Wasser friert nicht magisch schneller, sondern manchmal – unter bestimmten Bedingungen.
So testest du den Mpemba-Effekt selbst
Starte mit einfachen Mitteln: zwei gleiche, dünnwandige Metallbecher oder Backformen. Je 200 Milliliter Leitungswasser. Eines auf rund 60–70 Grad erhitzen, das andere bei Raumtemperatur lassen. Stell beide auf ein vorgekühltes Backblech in die Tiefkühltruhe – weit hinten, ohne Luftzug von der Tür.
Deckel aus Folie reduzieren Spritzer, die das Ergebnis verfälschen. Notiere Startzeit, Temperatur, Position. Öffne die Tür nur alle 20–30 Minuten kurz und gleich lang. Berühre nichts, beobachte nur. Nach einer Stunde prüfe die Oberfläche mit einem Holzstäbchen: bildet sich eine stabile Eisdecke oder nur dünner Film?
Typische Stolperfallen sind unscheinbar. Unterschiedliche Füllhöhen, verschiedene Bechermaterialien, ein Regal oben, das andere unten. Einmal kurz öfter die Tür auf – die kalte Luft flieht, und das kühle Wasser gewinnt plötzlich. Seien wir ehrlich: Das macht im Alltag kaum jemand.
Auch das Thema Sicherheit gehört dazu. Heißes Wasser spritzt, Handschuhe helfen. Und: Das virale “Hot Water Throwing” bei klirrendem Frost sieht spektakulär aus, kann bei Wind zurückwehen. Im Zweifel lieber bleiben lassen. Der Effekt braucht keine Heldentaten, nur Geduld.
Manche schwören auf destilliertes Wasser, andere auf “vorgekochtes”. Beides verändert Gase und Keimbildung, ja. Wichtiger sind konstante Rahmenbedingungen. Wenn das warme Wasser vorne liegt, hast du ein Zusammenspiel aus Verdunstung, Kontakt und Konvektion erwischt. Wenn nicht, lernt man ebenso viel.
“Der Mpemba-Effekt ist keine einzelne Ursache, sondern eine Szene, in der viele kleine Nebenrollen plötzlich die Hauptrolle spielen.” – sagte mir eine Physiklehrerin, die seit Jahren Schülerexperimente dokumentiert.
- Gleiche Gefäße, gleiche Füllmenge, gleiche Position.
- Heißes Wasser 60–70 °C, nicht kochend, für weniger Spritzer.
- Backblech vorfrieren – besserer Wärmefluss.
- Tür selten öffnen, Beobachtungen sauber notieren.
- Ein Versuch ist kein Versuch: Mindestens fünf Durchgänge.
Was hinter dem Phänomen steckt – und was es mit dir zu tun hat
Der Mpemba-Effekt ist eine Einladung, genauer hinzusehen. Verdunstung frisst Volumen, Konvektion glättet Temperaturgefälle, entgastes Wasser bildet andere Eiskeime, Unterkühlung bremst kaltes Wasser aus, und Kontaktflächen entscheiden leise über den Wärmestrom. Es fühlt sich an wie ein kleiner Zauber aus der Kälte.
Alltagsfolgen gibt es tatsächlich. Heizungsrohre, die mit heißem Wasser gefüllt sind, können Wärme schneller an gefrorene Schichten abgeben und dabei Bedingungen schaffen, in denen ein Eisverschluss früher entsteht als erwartet. Auf dem Balkon friert die Pfütze unterm warmen Topf flächig, weil der Topf die dünne Frostschicht darunter wegschmilzt und blankes Metall den Kältefluss beschleunigt.
Auch die viralen Wintervideos sind eine Spielart davon: In trockener, sehr kalter Luft verdampft heißes Wasser rasend schnell, der Rest gefriert zu Eiskristallen – das lauwarme schafft diese schnelle Phase nicht. Der Effekt ist selten ordentlich, aber er ist eine Erfahrung, die Wissenschaft lebendig macht. Und genau das macht ihn so erzählbar, von der Küche bis ins Klassenzimmer.
Wenn Kälte Geschichten schreibt, erinnert sie uns daran, wie nah Wissenschaft an unserem Leben ist. Der Mpemba-Effekt zeigt, wie kleine Unterschiede die Richtung ändern – in einer Schüssel, aber auch in unserem Blick. Es lohnt sich, ein Experiment nicht als Beweis zu sehen, sondern als Einladung.
Teile deine Versuchsergebnisse mit Freunden, lass Kinder raten, wer “gewinnt”, und lass sie dann messen. Manchmal schlägt das warme Wasser zu, manchmal schaut es nur zu und lernt. Beides ist gut.
Vielleicht bleibt am Ende nicht nur Eis, sondern ein Gefühl von Aufmerksamkeit. Das ist das, was frostige Tage hinterlassen können: eine Geschichte, die wir weitersagen, weil sie uns beteiligt. Und weil sie uns lehrt, dass Fragen wertvoller sind als Gewissheit.
| Kernpunkt | Detail | Interesse für den Leser |
|---|---|---|
| Verdunstung | Heißes Wasser verliert Masse und Fläche kühlt schneller aus | Einfacher Grund, der messbar ist – sofort umsetzbar im Test |
| Kontakt & Konvektion | Warm schmilzt Raureif, verbessert Wärmeleitung; stärkere Strömung | Erklärt, warum das Blech oder die Form so wichtig sind |
| Unterkühlung & Gase | Kälteres Wasser friert später schlagartig; heißes entgast, ändert Keimbildung | Hilft, scheinbar widersprüchliche Ergebnisse zu verstehen |
FAQ :
- Ist der Mpemba-Effekt bewiesen oder ein Mythos?Er ist real, aber nicht garantiert. Unter bestimmten Bedingungen friert heißes Wasser schneller – unter anderen nicht.
- Welche Temperatur sollte “heiß” haben?60–70 °C sind für Experimente zuhause ideal. Kochend birgt Spritzgefahr und ist oft unpraktisch.
- Spielt der Behälter eine Rolle?Ja. Dünnwandiges Metall leitet Wärme besser und zeigt den Effekt eher als dickes Glas oder Kunststoff.
- Muss ich destilliertes Wasser verwenden?Nein. Leitungswasser funktioniert. Destilliertes verändert Ergebnisse, ist aber nicht zwingend besser.
- Warum klappt es manchmal gar nicht?Kleine Unterschiede bei Füllhöhe, Position, Luftzug oder Türöffnen verschieben das Ergebnis. Mehrere Durchgänge helfen.









