Ganzjahresreifen im Neuschnee: Sind sie wirklich so sicher wie reine Winterreifen? Der Bremsentest

Ganzjahresreifen im Neuschnee: Sind sie wirklich so sicher wie reine Winterreifen? Der Bremsentest

Ganzjahresreifen oder echte Winterreifen – reicht das eine, braucht man das andere? Wer pendelt, wer Kinder fährt, wer nachts heimkommt, spürt es am Lenkrad. Neuschnee ist weich, trügerisch und schön, aber er verzeiht keine Fehler. Und auf einmal zählt nicht mehr, was der Händler versprochen hat, sondern wie viele Meter das Auto braucht, um stillzustehen. Im Kopf läuft nur eine Zahl. Und die hat Gewicht.

Es ist kurz nach sechs, der Atem dampft, die Scheinwerfer schneiden Trichter aus Flocken. Ich rolle auf einen leeren Parkplatz am Stadtrand, zwei baugleiche Kompaktwagen warten dort – einer mit frischen Winterreifen, einer mit hochwertigen Ganzjahresreifen, beide mit 3PMSF. Wir messen, filmen, frieren. Die weiße Stille schluckt jeden Ton. Die Fahrer nicken, ABS-Check, 30 km/h, 50 km/h, 80 km/h. Dann kommt der erste Ankerwurf.

Der Bremsentest im Neuschnee: Was wirklich passiert

Neuschnee fühlt sich weich an, ist aber kein Kissen. Unter dem Reifen packt er sich, formt eine dünne Eislamelle, die nur durch Kanten und Gummigrip gebrochen wird. Winterreifen bringen viele feine Lamellen und eine Kälte-Mischung, die bei Minusgraden elastisch bleibt. Ganzjahresreifen sind ein Kompromiss, ihr Profil mischt Sommerblöcke und Winterkanten. Das funktioniert erstaunlich oft. Bis es nicht mehr reicht. Der Bremsweg entscheidet über Blech oder Krankenhaus. Und Neuschnee erlaubt selten eine zweite Chance.

Im ersten Lauf bei 30 km/h liegt der Unterschied klein, messbar, aber nicht dramatisch. Drei, vier Meter – das ist eine halbe Autolänge extra. Bei 50 km/h wird die Schere breiter: Der Winterreifen beißt schneller in die Schicht, der Allseason drückt sie erst zur Seite. Wir sehen 5 bis 9 Meter Differenz, je nach Flockendichte und Temperatur. Es ist keine Laborzahl, eher ein Bild aus der Wirklichkeit. Einmal gräbt der Ganzjahresreifen einen kleinen Schneekeil vor sich her. Er braucht einen Herzschlag länger, bis er packt.

Warum ist das so? Eine Mischung aus Chemie und Mechanik. Die Wintermischung bleibt weich, füllt Mikro-Rauigkeiten, während das dicht gelamellte Profil die Schneekristalle miteinander „verzahnt“. Allseason-Gummis mit 3PMSF können das auch, nur mit weniger Lamellen und härterer Mischung. Sie treffen früher ihr Limit, wenn der Schnee frisch, trocken und kalt ist. Bremsen löst das ABS aus, die Blöcke stampfen, die Aufstandsfläche sucht Halt. Tempo frisst Reserven. Jeder zusätzliche km/h zahlt sich am Ende in Metern aus, die du nirgendwo hinlegen kannst.

Sicher bremsen im Neuschnee: Praxis statt Parolen

Die beste Methode beginnt vor dem ersten Meter. Geschwindigkeit runter, Abstand rauf, Blick weit. Bremse nicht erst, wenn die Kurve da ist, sondern wenn du sie im Kopf schon fertig gefahren hast. Reifendruck auf Sollwert, Profil frei von angebackenem Schnee – ein kurzer Schlag gegen die Lauffläche wirkt Wunder. Kurze, klare Pedalbefehle. Geradeaus bremsen, lenken nur, wenn das Auto stabil ist. Wer anfahren muss, wählt einen Gang höher, lässt die Räder arbeiten. Die Physik liebt Ruhe.

Häufige Fehler sind menschlich. Panikbremsungen im Lenkwinkel, späte Korrekturen, starre Hände. Manche schalten Traktionshilfen aus, weil „man das so fühlt“. Tu’s nicht bei Neuschnee. Bremsen und Helfer sind Freunde, keine Gegner. Diesen Moment kennen wir alle, wenn der Tacho höher steht, als er sollte, und die Straße plötzlich enger wird. Atme, nimm Last raus, richte das Auto auf. Seien wir ehrlich: Das macht doch niemand jeden Tag.

Technik hilft, ersetzt aber keine Taktik. Moderne Allseason-Reifen mit 3PMSF leisten Erstaunliches, wenn die Bedingungen wechseln, doch im frischen Pulver bleibt der Winterreifen eine Bank.

„Ganzjahresreifen sind die Alleskönner für 80 Prozent der Tage. Reine Winterreifen sind der Bodyguard für die schlimmsten 20 Prozent.“ – Testingenieur auf dem Versuchsgelände

  • Ab rund 7 °C und nass: Allseason stark, Bremswege nah am Winterreifen.
  • Bei -5 °C und trockener Neuschnee-Decke: Winterreifen gewinnen klar.
  • Abgefahrene Profile verlängern jeden Bremsweg brutal.
  • 3PMSF ist Pflicht, M+S allein reicht nicht mehr.

Wer das im Kopf hat, fährt entspannter.

Was der Test uns hinterlässt

Die Wahrheit ist weniger heroisch als jede Debatte. Ganzjahresreifen sind für viele Städte und mildere Regionen ein Segen, weil sie bequem sind und im Mischwetter stark performen. Im Neuschnee zeigen sie Grenzen, die man kennen und einkalkulieren kann. Winterreifen sind kein Dogma, sondern eine Reserve – dort, wo Kälte, Höhe oder Tageszeit den Asphalt in eine kleine Prüfstrecke verwandeln. Ganzjahresreifen mit 3PMSF sind keine Notlösung. Sie sind ein Werkzeug, das seinen Rahmen hat. Wer den Rahmen versteht, trifft klügere Entscheidungen, bremst früher und kommt gelassener an. Und manchmal ist der sicherste Trick der einfachste: nicht aufs Tempo, sondern auf den Grip zu schauen.

Kernpunkt Detail Interesse für den Leser
Bremsweg im Neuschnee Winterreifen stoppen je nach Tempo 5–9 m früher als gute Allseason-Modelle Konkrete Größenordnung für echte Entscheidungen
3PMSF statt nur M+S Rechtlich relevant und technisch belastbar bei situativer Winterpflicht Sicherheit ohne Bußgeld- oder Versicherungsrisiko
Profil und Temperaturfenster Lamellendichte, Gummimischung und Restprofil bestimmen das Limit Einfach prüfbar vor jeder Fahrt

FAQ :

  • Sind Ganzjahresreifen im Neuschnee erlaubt?Ja, wenn sie das Schneeflockensymbol (3PMSF) tragen. In Deutschland gilt situative Winterreifenpflicht – 3PMSF-Winterreifen oder Allseason mit 3PMSF erfüllen die Vorgabe.
  • Wie groß ist der Bremswegunterschied wirklich?Auf frischem, kaltem Neuschnee liegen gute Winterreifen oft 5–9 Meter vorn bei 50 km/h. Bei 30 km/h schrumpft die Differenz, bei 80 km/h wächst sie stark.
  • Welche Profiltiefe sollte ich einplanen?Für Schnee gelten 4 mm als vernünftige Untergrenze, auch wenn gesetzlich 1,6 mm gelten. Mehr Profil bedeutet mehr Kanten und kürzere Wege.
  • Lohnen Premium-Ganzjahresreifen mit 3PMSF?Ja, wenn du viel Stadt, wenig Schnee und wechselnde Temperaturen hast. In schneereichen Regionen sind echte Winterreifen die robustere Wahl.
  • Wie teste ich meine Reifen vor dem Winter?Profiltiefenmesser oder 1-Euro-Münze, Druck auf Sollwert, kurzer Bremscheck auf leerer Fläche bei geringer Geschwindigkeit. Einmal hören, wie ABS pulst, reicht oft, um Gefühl zu bekommen.

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