Mietrecht-Schock: Müssen Mieter wirklich immer streichen?

Mietrecht-Schock: Müssen Mieter wirklich immer streichen?

Warum fordern Vermieter beim Auszug so oft: „Bitte frisch streichen“? Ist das Pflicht, Ritual oder nur Druckmittel vor der Kautionsrückzahlung. Zwischen Durchzugskarton, Leiter und letzten WG-Pizzen liegt eine Frage, die über Geld, Zeit und Nerven entscheidet: Müssen Mieter wirklich immer die Wände streichen – oder ist das ein hartnäckiger Mythos?

Der Flur riecht nach Staub, die Bohrlöcher sind zugespachtelt, der Vermieter geht mit kühlem Blick an der Wand entlang. Sein Finger streicht über eine matte Stelle, die Küche wirkt gelebt, nicht ruiniert. „Sie streichen noch, ja?“, sagt er, halb Feststellung, halb Befehl. Du hörst dein eigenes Nicken und spürst doch den Widerstand. Ein Viertel deines Wochenendes würde in Farbe versinken. Und du fragst dich: Darf er das wirklich verlangen. Eine winzige Pause. Dann ein Satz, der alles kippt.

Zwischen Schönheitsreparatur und Farbfessel: Was gilt wirklich?

Mieter haben keine automatische Malpflicht. Schönheitsreparaturen können im Mietvertrag auf Mieter übertragen werden, doch nur über wirksame Klauseln. Gerichte kippen seit Jahren starre Vorgaben, weil normales Wohnen Spuren hinterlässt, die rechtlich dem Vermieter zuzuordnen sind. Was viele nicht wissen: „Abwohnen“ ist kein Makel, sondern einkalkuliert. Der rechtliche Clou liegt in der Formulierung, nicht im Bauchgefühl am Tag der Schlüsselübergabe.

Nehmen wir Lisa: Sie zog damals in eine unrenovierte Altbauwohnung mit Charme und Rissen. In ihrem Vertrag stand, sie müsse beim Auszug „vollständig renoviert“ übergeben. Sie fragte beim Mieterverein nach und bekam eine klare Antwort: Unrenoviert übernommen, keine angemessene Kompensation erhalten – solche Endrenovierungsklauseln sind unwirksam. Plötzlich stand nicht mehr „Streichen oder zahlen“ im Raum, sondern die Frage, ob der Vermieter sich an einer Auffrischung beteiligen muss. So kann eine vermeintliche Pflicht zur verhandelbaren Option werden.

Woran erkennt man wirksame Regelungen? Keine starren Fristen wie „alle 3/5/7 Jahre“. Rechtlich tragfähig sind nur flexible Formulierungen, die den tatsächlichen Zustand einbeziehen. Quotenabgeltung – also anteilige Zahlung statt Pinsel – ist seit BGH-Rechtsprechung vom Tisch. Farbzwang „weiß“ während der Mietzeit ist ebenfalls heikel; zulässig sind am Ende neutrale, gebrauchstaugliche Farbtöne, nicht zwingend klinisches Weiß. Ebenso entscheidend: „Fachgerecht“ heißt nicht „vom Profi“, sondern sauber, deckend, ohne Läufer und Kantenchaos.

So gehst du vor, wenn der Vermieter Streichen verlangt

Erster Griff: Mietvertrag und Übergabeprotokoll. War die Wohnung renoviert beim Einzug? Gibt es Quittungen, Fotos, E-Mails. Suche nach Wörtern wie „spätestens“, „mindestens“, „Endrenovierung“, „weiß“. Starre Vorgaben sind angreifbar. Danach kommt die Nachricht an den Vermieter: freundlich, sachlich, mit Verweis auf die Rechtsprechung und dem Hinweis, dass man „bei tatsächlicher Erforderlichkeit fachgerecht“ nachbessert. *Ein sauberer, deckender Anstrich zählt mehr als die Frage, wer den Pinsel hält.*

Wir kennen alle diesen Moment, in dem die Kaution wie ein Pfand wirkt und das Bauchgefühl „Bloß keinen Ärger“ flüstert. Seien wir ehrlich: Niemand streicht aus Spaß am letzten Wochenende vor dem Umzug. Prüfe erst, streiche später – oder gar nicht, wenn die Klausel wackelt. **Kaution ist kein Druckmittel** für unberechtigte Forderungen; sie dient nur zur Absicherung konkreter Ansprüche. Fehler, die Geld kosten: vorschnell streichen, ohne Pflicht. Dunkle Farben drüberpinseln mit Billigfarbe. Dübelreste lassen. Alles vermeidbar.

Wenn es knirscht, hilft eine klare, ruhige Tonlage. Ein kurzer Anruf, danach schriftlich fixieren.

„Nicht jede Wand muss weiß sein, aber jede Forderung muss rechtlich sitzen.“ – eine Beraterin vom Mieterverein

  • Fotos vor Auszug machen, Licht schräg von der Seite, Details sichtbar.
  • Mietvertrag auf starre Fristen prüfen und dokumentieren.
  • Nur sachgerecht ausbessern: Löcher füllen, Kanten sauber schneiden.
  • Bei unrenoviertem Einzug fairen Kostenanteil vorschlagen.
  • Frist setzen, Kautionstrennung ansprechen, ruhig bleiben.

Was Vermieter fordern dürfen – und wo Grenzen verlaufen

Ein weitverbreiteter Irrtum: „Alles muss weiß sein.“ Stimmt nicht. Während der Mietzeit bist du bei der Farbwahl frei, solange du nicht in den neonpinken Alptraum streichst, der eine Weitervermietung real unmöglich macht. Beim Auszug darf der Vermieter eine neutrale, vermietbare Optik verlangen, nicht die sterile Perfektion einer frisch sanierten Musterwohnung. Entscheidend ist der Zustand: normale Abnutzung versus außergewöhnliche Abnutzung, etwa Nikotinbeläge, die mehr sind als Patina.

Unrenoviert eingezogen? Dann sind pauschale Renovierungspflichten meist unwirksam, sofern es keinen Ausgleich gab. In etlichen Fällen haben Gerichte sogar eine hälftige Kostenteilung für eine „frische, mittlere Lösung“ akzeptiert, wenn die Wohnung erkennbar abgewohnt war. Auf der anderen Seite: Wer farbintensive Wände hinterlässt oder mit grobem Werkzeug tapeziert hat, muss das zurückbauen. Die Latte heißt nicht „wie neu“, sondern „ordnungsgemäß und gebrauchstauglich“.

Was ist mit „fachgerecht“? Kein Malermeister nötig, aber ein Ergebnis, das hält: deckend, ohne Streifen, ohne Tropfnasen, Übergänge sauber, Steckdosen abgedeckt, Leisten nicht überpinselt. Dazu zählt auch: Bohrlöcher spachteln, Dübel raus, Silikonfugen unbeschädigt lassen, keine Farbschlieren am Heizkörper. Klingt nach Fummelei, ist aber klar überprüfbar. Wer so arbeitet, nimmt Vermietern den Wind aus den Segeln – sogar dann, wenn am Ende gar kein Komplettanstrich geschuldet ist.

Und jetzt?

Manchmal reicht ein Blick auf den Vertrag, ein paar Fotos und ein kühles „Lassen Sie uns das fair lösen“. Aus der Drohkulisse „Streichen oder Kaution weg“ wird plötzlich eine Verhandlung auf Augenhöhe. Du lernst, die Signale zu lesen: Ist es echte Instandhaltung oder bloß Routineforderung. Hinter der Wandfarbe steckt eben kein Geschmackskrieg, sondern ein rechtliches Gleichgewicht. Wer das versteht, spart Geld – und vor allem Zeit.

Überraschend ist, wie viel sich verhandeln lässt, wenn die Fakten klar auf dem Tisch liegen. Ein neutraler Ton, ein realistischer Vorschlag, ein Verweis auf die Urteile – das wirkt. Vielleicht wird die Miete nicht günstiger, aber das Auszugswochenende wird leichter. Und vielleicht erzählst du beim nächsten Umzug deinen Freunden, wie du mit drei Sätzen und zwei Fotos eine komplette Malerrechnung abgewendet hast. Geschichten wie diese machen Schule.

Kernpunkt Detail Interesse für den Leser
Keine generelle Malpflicht Schönheitsreparaturen nur bei wirksamer Klausel Spart unnötige Arbeit und Kosten
Unrenoviert eingezogen Endrenovierungsklauseln oft unwirksam, ggf. Kostenanteil Stärkt die Verhandlungsposition
„Fachgerecht“ statt „vom Profi“ Sauber, deckend, ohne Streifen genügt Ermöglicht DIY ohne Malerrechnung

FAQ :

  • Müssen Mieter beim Auszug immer streichen?Nein. Nur wenn eine wirksame Schönheitsreparaturklausel greift und der Zustand es erfordert. Normale Abnutzung reicht nicht für einen pauschalen Malzwang.
  • Sind starre Fristen (z. B. 3/5/7 Jahre) gültig?In der Regel unwirksam. Zulässig sind flexible Klauseln, die den tatsächlichen Abnutzungsgrad berücksichtigen.
  • Was, wenn die Wohnung unrenoviert übernommen wurde?Dann sind Renovierungspflichten meist unwirksam, sofern kein angemessener Ausgleich gezahlt wurde. Häufig wird eher über Teilung der Kosten gesprochen.
  • Darf der Vermieter die Kaution einbehalten, bis gestrichen ist?Nur für konkrete, berechtigte Ansprüche und nicht unbegrenzt. Ein pauschaler Druckaufbau „erst Farbe, dann Geld“ trägt rechtlich nicht weit.
  • Muss ich Profiqualität liefern?Nein. Es genügt „fachgerecht“: deckend, sauber, ohne Tropfnasen und Farbschlieren. Eigenleistung ist erlaubt, wenn das Ergebnis stimmt.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen